Bei dem Zusammenschluss der BRICS-Staaten handelt es sich um asiatische Bestrebungen eines Schulterschluss gegen die amerikanische (und im Allgemeinen westliche ) Hegemonie. Die Bezeichnung leitet sich von den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder ab: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Später traten noch Ägypten, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Äthiopien bei. Sollte der Mitgliedsantrag Ankaras angenommen werden, so wäre die Türkei das erste und einzige NATO-Land, das dieser Gruppe beitritt. Vor allem aber würde dieser Schritt einen bedeutenden Bruch in der seit mehr als 100 Jahren vorangetriebenen Politik der Westintegration des Landes bedeuten - Ein Sieg für den so genannten „Eurasianismus“, der die Türkei bisher eher im Osten als im Westen, eher in Asien als in Europa verortete. Die Außenpolitik der Türkei, die auf eine volle Mitgliedschaft in der Europäischen Union ausgerichtet war, würde sich damit in die Achse Moskau-Peking einreihen.
Auch interessant ist die Tatsache, dass der Antrag noch vor Ankara von Moskau aus bekannt gegeben wurde. Nachdem Putins Berater den Antrag verkündete, teilte der Sprecher der regierenden AKP lediglich mit: „Unser Antrag auf Mitgliedschaft ist gestellt, der Prozess ist im Gange“. Erdoğan hingegen erklärte in einer Ansprache: „Wir müssen nicht zwischen der Europäischen Union und der Schanghai-Kooperation wählen. Während wir unsere Beziehungen zum Osten stärken, werden wir nach Wegen suchen, unsere tief verwurzelte Zusammenarbeit mit dem Westen voranzutreiben.“
Dass die türkische Regierung den BRICS-Beitrittsprozess im Verborgenen vorantreibt und nicht öffentlich verteidigt, deutet darauf hin, dass sie sich nicht zu einem radikalen Kurswechsel verpflichtet fühlt. Die meisten Beobachter sehen Erdoğans BRICS-Bewerbung als symbolische Botschaft an die EU, die bislang zögert, die Türkei als Mitglied aufzunehmen. Sie wird als eine Botschaft an Brüssel interpretiert: „Eurasien wartet auf mich, wenn ihr mich nicht in euren Familienclub aufnehmt“. Nichtsdestotrotz gibt es in Ankara nicht wenige Menschen, die glauben, dass sich das Gleichgewicht in der Welt zugunsten Asiens verschiebt und dass die Türkei von einer Hinwendung nach Osten profitieren würde. Problematisch ist nur, dass die Organisationen nach dem Vorbild der BRICS noch nicht in der Lage sind, den Verteidigungsschirm oder die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu bieten, welche die EU zur Verfügung stellt. Es ist daher nicht abwegig anzunehmen, dass die Türkei diesen Trumpf auszuspielen gedenkt, um mehr Investitionen aus dem Westen anzuziehen oder die Hauptstädte zu überzeugen, einer verteidigungspolitischen und/oder wirtschaftlichen Zusammenarbeit zuzustimmen.
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