In den Worten des früheren Staatspräsidenten Süleyman Demirel ist dies der „29. kurdische Aufstand“ – und er dauert nun seit 40 Jahren an. Die ersten 28 wurden mit Waffengewalt niedergeschlagen, an Galgen beendet. Der von der PKK und ihrem Anführer Abdullah Öcalan geführte Aufstand jedoch war der längste, der widerstandsfähigste und der mit der breitesten Basis. Der Staat versuchte auch diesmal, ihn mit Repression, Waffengewalt und Todesurteilen zu beenden – doch die Gewaltpolitik zerschlug ihn nicht, sondern ließ ihn weiter anwachsen, machte ihn massenwirksam.
Nun, ausgelöst durch die Entwicklungen in Syrien, unternimmt der Staat einen Strategiewechsel: einen neuen Versuch, Frieden zu schließen. Auch PKK-Chef Öcalan, seit einem Vierteljahrhundert in Isolationshaft, reagierte darauf und rief seine Kader in den Bergen zur Auflösung der Organisation und zur Niederlegung der Waffen auf. Im vergangenen Monat folgte die PKK diesem Aufruf mit einer symbolischen Waffenverbrennung.
Die eingesetzte Parlamentskommission soll nun klären, unter welchen Bedingungen die Guerillakämpfer zurückkehren können, welchen rechtlichen Status sie erhalten – und ob es eine Amnestie für inhaftierte Mitgliederinnen und Mitglieder geben kann. Gleichzeitig wird erwartet, dass Schritte vorbereitet werden, die demokratische Politik stärken und die Kompetenzen lokaler Verwaltungen gegenüber der Staatsmacht erweitern.
Das Land ist einmal mehr gespalten: Auf der einen Seite jene, die hoffen, dass die Arbeit der Kommission ein Schritt zur Lösung der Kurdenfrage und zur Demokratisierung des Landes sein könnte – die „Optimisten“. Auf der anderen Seite jene, die befürchten, Erdoğan wolle sich mit Hilfe der Kurden sowohl die Opposition spalten als auch weiter autoritär festsetzen – die „Besorgten“.
Beide Lager haben Argumente auf ihrer Seite: Einerseits könnte der Wegfall der „PKK-Bedrohung“ Erdoğan eines seiner zentralen Legitimitätsmotive für Repression nehmen. Andererseits steht die Gefahr im Raum, dass ein Autokrat, der seinen stärksten Widersacher bereits ins Gefängnis gebracht hat, nun endgültig zur unangefochtenen Führungsfigur aufsteigt.
Die größte Oppositionspartei CHP hat sich – in Kenntnis dieses Risikos und mit dem erklärten Ziel, es zu wenden – für die Teilnahme an der Kommission entschieden. Doch in den eigenen Reihen ist die Kritik groß: Viele in der Parteibasis sind überzeugt, man habe Erdoğan damit politisch neues Leben eingehaucht.
Kurzum: Die 48 Abgeordneten, die ab morgen mit der Arbeit beginnen, betreten ein diplomatisches Hochseil. Und wieder einmal gilt – in Anlehnung an Demirel – der doppelte Blick: Die eine Hälfte der Gesellschaft sieht die Kommission wanken, die andere hofft, sie werde ihr Ziel erreichen.
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