Liebe Leserin, lieber Leser,
die Besuchspläne von Erdoğan scheiterten an der Vernichtungsrede eines AKP-Abgeordneten.
Berlin kann erstmal aufatmen.
Beste Grüße
Ihr Can Dündar
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Im Newsletter von letzter Woche erwähnte ich bereits, dass Erdoğans geplanter Besuch in Berlin nicht nur zu Spannungen hierzulande führen würde, sondern ihm auch einen Triumph kurz vor den türkischen Wahlen bescheren könnte. Meine Gesprächspartner im deutschen Außenministerium gaben mir zwar Recht, doch könne man nichts tun, wenn der Präsident eines verbündeten Landes auf einem Besuch besteht.
Ich erklärte ihnen, dass es sich nicht um den Besuch des „Präsidenten der Türkei", sondern um einen Besuch des „Vorsitzenden der AKP“ handeln werde. Ein Besuch von Erdoğan in Berlin am Vorabend einer entscheidenden Wahl würde ihm eine Propagandamöglichkeit im eigenen Land bieten und Deutschland zu einem Wahlhelfer machen. Sollte man Erdoğan einladen, so müsse man auch den Vorsitzenden der größten Oppositionspartei eingeladen, oder die Einladung erst nach den Wahlen aussprechen. Und würden die Verantwortlichen, die befürchteten, dass die angespannte politische Lage nach Deutschland übergreifen könnte, mit dieser Einladung nicht die Spannungen weiter anheizen? War es nicht ein Abgeordnete der AKP, der erst kürzlich während seiner Deutschlandreise Hassreden hielt und von der Vernichtung der Opposition sprach? Muss man solche Äußerungen auch noch belohnen?
Am Ende setzte sich in der Diskussion zwischen der Bürokratie, die behauptetet man dürfe Erdoğan inmitten der Ukraine-Krise nicht vor den Kopf stoßen und der Politik, die fordert, man solle im Wahlkampf keine Partei ergreifen, meiner Meinung nach das zweite Lager durch. Auf den Hinweis der deutschen Verantwortlichen, dass man wohlmöglich im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz AKP-Politiker kritisieren werde, die „Blutvergießen in Deutschland" versprachen, reagierte die türkische Seite mit Ablehnung. Dies verschaffte Berlin, die Erdoğan ohnehin nur widerwillig eingeladen hatte, einen Vorwand, den Besuch zu verschieben.
Erdoğan, der in den letzten Jahren mit Ausnahme von NATO-Gipfeltreffen keinen Fuß in europäische Hauptstädte gesetzt hatte, blieb damit die Möglichkeit verwehrt, von Berlin aus Propaganda zu betreiben. Deutschland hingegen erspart sich große Proteste und das Image eines „Verbündeten von Erdoğans".
Ein offizieller Besuch wäre nach den Wahlen vom 14. Mai, also nachdem das türkische Volk seinen Willen deutlich gemacht hat, wesentlich vernünftiger und gerechter.
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