Nach der Verhaftung von Ekrem İmamoğlu, dem aussichtsreichsten Kandidaten für die bevorstehende Präsidentschaftswahl, strömten Tausende junger Menschen von den Universitäten auf die Straßen und lösten landesweite Proteste aus. Die Polizei konnte die Dynamik der Bewegung zunächst nicht aufhalten, begann aber wenig später mit massenhaften Festnahmen. Hunderte Studierende wurden inhaftiert. Unter ihnen auch eine symbolträchtige Figur: der 22-jährige Berkay Gezgin, dem İmamoğlu seinen Wahlkampfslogan „Her şey çok güzel olacak“ – „Alles wird wunderschön“ – verdankt. Auch er wurde wegen Teilnahme an einer „illegalen Demonstration“ verhaftet und saß eine Zeit lang im selben Gefängnis wie İmamoğlu. Später nominierte ihn die größte Oppositionspartei in einem klugen Schachzug für den Parteivorstand – seine Aufnahme wurde mit Applaus begrüßt. Kurz darauf kamen Berkay und 127 weitere Studierende frei. Doch noch immer sitzen Hunderte in Haft – und werden dort, mitten im Widerstand, zunehmend politisiert.
Die Proteste der vergangenen Wochen – ähnlich wie einst im Gezi-Park – haben auch den Blick auf die junge Generation und insbesondere auf die Generation Z verändert. Lange Zeit galt diese Generation, aufgewachsen mit dem Internet, am Computer groß geworden und ständig am Smartphone, als unpolitisch. Doch gerade diese enge Verbindung zur digitalen Welt hat ihnen ermöglicht, jederzeit zu verfolgen, was im eigenen Land und darüber hinaus geschieht. Sie konnten schneller reagieren, sich vernetzen und gemeinsam handeln. So gelang es ihnen, sich in kurzer Zeit zu organisieren – und mit bemerkenswertem Mut für ihre Zukunft einzustehen.
Der Präsidentenpalast ist zwar noch keine Universität geworden, aber wer mit freigelassenen Studierenden vor dem Gefängnis spricht, hat den Eindruck, sie hätten keinen Haft-, sondern einen Studienabschluss hinter sich. Auch viele junge Menschen, die heute über die ganze Welt verstreut leben, fanden durch die Proteste wieder zueinander – und beteiligten sich von überall aus an den Aktionen.
Mit seiner letzten Entscheidung hat Erdoğan – wenn auch unbeabsichtigt – wohl den Funken für eine neue Generation entfacht, die sich nun gegen ihn richtet.
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