Die Syrische Nationale Armee, unterstützt von ausländischen Dschihadisten, darunter die Organisation Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die auf der Liste der Terrororganisationen der Vereinten Nationen steht, hat eine der größten Städte Syriens, Aleppo, fast ohne Gegenwehr eingenommen. Aus der Region erreichen uns Bilder nicht nur von gestürzten Assad-Statuen, sondern auch von enthaupteten und erschossenen syrischen Soldaten. HTS erklärt, ihr nächstes Ziel sei Damaskus.
Das erinnert unweigerlich an Erdogans grenzübergreifende Träume aus dem Jahr 2012, als er erklärte: „Wir werden in der Umayyaden-Moschee in Damaskus beten.“ Zwölf Jahre später scheint dieser Traum wieder aufzuleben. Auf türkischen Fernsehsendern wird daran erinnert, dass Aleppo einst eine „Provinz des Osmanischen Reiches“ war.
Ankara hofft, über die von ihr ausgebildete und bewaffnete Syrische Nationale Armee Druck auf die Regierung in Damaskus auszuüben, Assad ihre Bedingungen aufzuzwingen und die Dschihadisten an der Macht zu beteiligen.
Weitere Ziele sind offensichtlich: Ein Schlag gegen die Kurden, die in der Region von der YPG vertreten werden, möglicherweise die Etablierung eines eigenen Einflussbereichs durch PKK-Anführer Öcalan, sowie die Sicherung eines Machtvakuums im Falle eines möglichen Rückzugs der USA nach der Trump-Ära. Interessanterweise verfolgt Erdogan in dieser Aktion das gleiche Ziel wie die von ihm so verhasste israelische Regierung: einen Regimewechsel in Damaskus.
Doch dieses Spiel ist äußerst gefährlich. Einerseits droht mit dem Fall Aleppos eine neue, massive Flüchtlingswelle an die türkische Grenze. Andererseits könnte Putin, der durch den Krieg in der Ukraine beschäftigt ist, diese Offensive als einen gezielten Angriff auf seine Interessen ansehen – und wütend reagieren. Auch der wichtige regionale Akteur Iran, der sich durch die israelische Bedrohung unter Druck gesetzt sieht, ist über diese Operation, die seinen Verbündeten Syrien trifft, alles andere als erfreut.
In diesem Kontext ist der heutige Besuch des iranischen Außenministers in Ankara von großer Bedeutung. Eins ist klar: Wenn das syrische Regime fällt, wird der Iran als Nächstes ins Visier geraten, und die Region könnte in ein noch größeres Chaos stürzen.
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