Sein Versuch, zwischen Israel und Palästina zu vermitteln, stieß in Tel Aviv aufgrund seiner Hamas-Nähe auf wenig Gegenliebe. Doch zwischen Russland und der Ukraine tat sich ein kleines Zeitfenster auf. Seit Beginn des Krieges pflegt die Türkei als NATO-Mitglied eine ausbalancierte Diplomatie mit beiden Seiten – und diese Strategie trug vergangene Woche erstmals Früchte: Erdoğan brachte russische und ukrainische Delegationen in Istanbul an einen Tisch – es waren die ersten direkten Gespräche seit drei Jahren. Sein eigentliches Ziel: ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Selenskyj. Als sogar ein Auftritt von Donald Trump im Raum stand, witterte Erdoğan die Chance, sich endgültig als internationaler Friedensstifter zu inszenieren. Doch daraus wurde nichts. Putin kam nicht. Und als der absagte, zog sich auch Trump zurück – mit den Worten: „Ohne mich hätte das sowieso nicht funktioniert.“ Am Ende einigten sich die russische und die ukrainische Delegation lediglich auf einen Gefangenentausch: Tausend Gefangene auf jeder Seite.
Für Erdoğan ist damit aber noch nicht alles verloren. In Syrien hat sich die Lage in seinem Sinne entwickelt: Die islamistischen Gruppen, in deren Aufstieg er jahrelang investiert hatte, gewinnen an Einfluss. Und fast gleichzeitig erklärte die PKK zu Wochenbeginn ihre Selbstauflösung und die Bereitschaft zur Waffenabgabe – eine Entwicklung, die Erdoğan neue politische Spielräume verschafft.
Heute regieren im Weißen Haus und im Kreml zwei Präsidenten, deren Weltbild dem seinen nicht fernsteht. In Damaskus sitzt ein Machthaber, mit dem Erdoğan religiös durchaus übereinstimmt. Und zugleich klopft die vielleicht größte Chance seit Jahrzehnten an die Tür: das Ende des 40-jährigen Kriegs mit den Kurden. All das sorgt dafür, dass die harten Repressionen gegen seine innenpolitischen Gegner vom Westen weitgehend ignoriert wird.
Doch reicht das? Reichen geopolitische Verschiebungen und der Moment des Kriegs, um ein repressives Regime zu stabilisieren – und Erdoğan als Friedensfigur erscheinen zu lassen? Oder könnte dieser Moment doch ein Fenster öffnen: für eine demokratische Öffnung, für ein Ende der Angst im Präsidentenpalast?
In der Türkei glauben viele, dass beides möglich ist. Ich vermute, dass die internationalen Verhältnisse dem autoritären Regime in Ankara eher das Überleben sichern – aber ich halte an der Hoffnung fest, dass sie zugleich auch den Weg für demokratische Veränderungen freimachen könnten.
|