Das ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Menschen in der Türkei sich nicht einschüchtern lassen – selbst unter massivem Druck – und das ausgerechnet von einem 13-jährigen Mädchen. Als Beren geboren wurde, hatten junge Menschen in der Türkei gerade den größten Aufstand der Landesgeschichte entfacht. Was als friedlicher Protest zum Schutz einiger Bäume im Gezi-Park begann, breitete sich wie eine Welle über das ganze Land aus – und versetzte die Regierung in Angst und Schrecken. Erdoğan konnte sich aus dieser Situation nur retten, indem er der Polizei den Schießbefehl erteilte. Zehn Menschen bezahlten seinen Machterhalt mit dem Leben. Erdoğan ließ diejenigen, von denen er glaubte, sie hätten den Gezi-Protest angeführt – mich eingeschlossen –, hart bestrafen. Man glaubte, ein Teil der sogenannten „Gezi-Generation“ habe das Land verlassen, der andere Teil sich zurückgezogen. Es schien, als sei der Widerstand gebrochen. Bis zu dieser Woche. Die Verhaftung von Ekrem İmamoğlu, gefolgt von einer Art Ausnahmezustand in Istanbul – mit gesperrten Straßen, Versammlungsverboten und eingeschränkten sozialen Medien – hat den „Gezi-Geist“ wieder zum Leben erweckt.
Die Generation von damals, inzwischen im mittleren Alter, wurde von einer neuen, wütenden Protestgeneration abgelöst, die die Fahne übernommen hat. Was an den Universitäten begann, breitete sich in kürzester Zeit auf die Straßen aus. Sogar die CHP, die größte Oppositionspartei, die bisher aus Sorge vor Provokationen Straßenproteste gemieden hatte, sah sich gezwungen, sich den Demonstrationen anzuschließen – ja, sie sogar anzuführen. Und das Ergebnis? Hunderttausende gingen auf die Straße – nicht nur in Istanbul, sondern im ganzen Land. Die lange gespaltene Opposition rückte zusammen, legte Differenzen beiseite und sammelte sich in einem neuen Schulterschluss: einem İmamoğlu-Bündnis. Aus einer tiefen Krise ist plötzlich eine neue Hoffnung entstanden.
Dieser entschlossene Protest konnte die Verhaftung İmamoğlus zwar vorerst nicht verhindern, aber er hat die Regierung daran gehindert, die Kontrolle über die Istanbuler Stadtverwaltung an sich zu reißen.
Wie es weitergeht, hängt nun ganz davon ab, ob dieser Widerstand mit derselben Entschlossenheit fortgeführt wird. Die Menschen werden an ihrem Anspruch auf Demokratie festhalten. Wie ich zu sagen pflege: Erdoğan mag davon träumen, der neue Putin zu werden – aber die Türkei ist nicht bereit, ein neues Russland zu sein.
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