Mit der digitalen Revolution haben traditionelle Medien – gedruckte Zeitungen und klassisches Fernsehen – zunehmend an Bedeutung verloren und Platz für digitale Plattformen und YouTube-Kanäle gemacht. Diese neue, grenzenlose Medienlandschaft versprach völlige Freiheit. Viele Journalistinnen und Journalisten, deren Zeitungen und Sender geschlossen wurden oder die ihren Job verloren hatten, fanden eine neue Heimat in kleinen, aber unabhängigen Medienhäusern oder starteten eigene YouTube-Kanäle.
Plötzlich konnten wir unser Publikum direkt erreichen – manchmal sogar aus dem Ausland. Dank YouTube-Werbeeinnahmen und der Unterstützung unserer Zuschauerschaft war es möglich, unabhängig weiterzumachen. Doch dann tauchte ein neues Hindernis auf: Google, der US-Konzern, der das Monopol über die Suchmaschinen hält und damit entscheidet, welche Inhalte sichtbar sind – und welche nicht.
Vor einem Vierteljahrhundert wurde Google mit dem Ziel gegründet, „Wissen weltweit zugänglich und nutzbar zu machen“. In kürzester Zeit entwickelte sich das Unternehmen zur meistbesuchten Website im Internet. Google bestimmte nicht nur, welche Inhalte bei Suchanfragen gefunden wurden, sondern kontrollierte auch die Verteilung von Online-Werbung. Immer wieder änderte der Konzern seine Algorithmen, offiziell um die „Qualität und Auffindbarkeit von Informationen im Internet zu verbessern“. Durch seine Empfehlungen konnte Google das Benutzeraufkommen von Websites gezielt steigern – oder ihn fast vollständig zum Erliegen bringen.
Ende letzten Jahres nahm Google eine weitere große Algorithmus- Änderung vor und überarbeitete sein Empfehlungssystem. Ergebnis: Seriöse Nachrichten rückten in den Hintergrund, unterhaltungsorientierte Inhalte wurden bevorzugt. Besonders in der Türkei traf diese Entscheidung unabhängige Medien hart. Ihre Sichtbarkeit in Diensten wie „Google News“ und „Entdecken“, die Lesende gezielt zu Nachrichten führten, wurde nahezu auf null reduziert. Für viele Nachrichtenseiten hatte das drastische Folgen: Das Benutzeraufkommen brach plötzlich ein, die Zugriffszahlen sanken rapide. Und weil Werbeeinnahmen direkt mit den Klickzahlen verknüpft sind, fielen auch die Einnahmen auf null. Das ist nichts anderes als indirekte Zensur.
Die Türkische Journalisten-Gewerkschaft erklärte, dass im vergangenen Monat zwei Nachrichtenseiten geschlossen wurden, einige Medienhäuser verkleinert werden mussten und fast 100 Journalistinnen und Journalisten ihren Job verloren haben. Eine der geschlossenen Seiten war Gazete Duvar, die 2016 gegründet wurde und einen Großteil ihrer Einnahmen aus dem von Google gelenkten Website-Verkehr bezog. Nach der Schließung von Duvar protestierten neun weitere Medienorganisationen gegen Googles zerstörerisches Embargo und erklärten: Dies ist nicht nur eine Krise der Medien oder der Bürgerinnen und Bürger, die sich informieren wollen, sondern eine Krise der Demokratie.
Die digitale Revolution, die einst weltweite Informationsfreiheit versprach, verwandelt sich in den Händen von Monopolen zunehmend in einen globalen Zensurmechanismus. Ein sofortiges Eingreifen ist notwendig.
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