Der Prozess gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange um die US-Kriegsdokumente aus dem Irak und Afghanistan ähnelte meinem „Cumhuriyet Prozess“, dem Prozess um den geheimen Munitionstransport des türkischen Nachrichtendienstes nach Syrien mit Hilfe von drei Lastwagen. In beiden Fällen sind Regierungen bei der Begehung von Kriegsverbrechen auf frischer Tat ertappt worden. Statt sich für die Taten zu rechtfertigen, machten sie in beiden Fällen jene verantwortlich, die sie aufgedeckt hatten, und ließen sie bestrafen. Es stellte sich heraus, dass sowohl Assange als auch ich uns in einer Zelle in einem Gefängnis für Terroristen wiederfanden. Sowohl hinter dem Anschlag auf Assange durch die CIA als auch dem Attentat auf mich steckten die politischen Machthaber. Während ich im Gefängnis saß, trafen sich meine Frau und mein Sohn mit dem damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden. Drei Wochen nach diesem Treffen durfte ich das Gefängnis verlassen.
In der vergangenen Woche ist Assange nach einer Verhandlung mit der Regierung Biden auch endlich freigelassen worden. Vor seiner Freilassung musste er sich jedoch der „Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen zur nationalen Verteidigung“ schuldig bekennen. Selbstverständlich freute ich mich über seine Freilassung, doch die Freude hatte einen bitteren Nachgeschmack. Der Preis seiner Freilassung war hoch. Assange hatte Kriegsverbrechen der USA aufgedeckt. Doch in einer meisterhaften Kampagne gelang es der CIA davon abzulenken und die Debatte auf Assanges Persönlichkeit und die Tatsache, dass Staatsgeheimnisse eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit seien, zu konzentrieren. Man diskutierte über den Boten und vergaß die Botschaft. Assange wurde der erste Herausgeber, der in den USA nach dem Espionage Act strafrechtlich verfolgt wurde. Für die Pressefreiheit stellt das einen Wendepunkt dar. Der Prozess gegen Assange führte schon jetzt dazu, dass die weltweiten Medien nicht über Kriegsverbrechen berichten wollen. Dieser Mechanismus der Selbstregulierung, der sich hinter der Freude über seine Freilassung verbirgt, dürfte in die Erfolgsbilanz der CIA eingehen.
Die vierte Folge der Reihe „Guardians of Truth“, die wir vor drei Jahren mit der DW auf den Weg gebracht haben, befasst sich mit dem Fall Assange. Wir haben nicht den gleichen Fehler wie viele andere gemacht und uns auf die Botschaft konzentriert, nicht auf den Boten, sprich: auf die von Wikileaks aufgedeckten Verbrechen. Sarah Marbouk und ich arbeiteten ein Jahr lang an dem Dokumentarfilm, aber als wir ihn gerade fertiggestellt hatten, kam die Nachricht von der Freilassung von Assange und wir mussten den Dokumentarfilm in der letzten Woche neu schneiden. Wir hoffen, dass der Dokumentarfilm, der am Freitag, den 5. Juli auf der YouTube-Seite der DW ausgestrahlt wird, Ihnen Freude bereiten wird.
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