In der vergangenen Woche wurde das Land von einer schrecklichen Nachricht erschüttert. Um sich finanziell zu bereichern, brachte eine im Gesundheitssystem aktive Betrügerbande mehrere Neugeborene auf die Intensivstationen von Vertragskrankenhäusern, ohne medizinische Notwendigkeit. Die Säuglinge wurden dort für längere Zeit festgehalten. Ersten Ermittlungen zufolge, starben dadurch zwölf Säuglinge. In der Anklageschrift wurden 47 Personen angeklagt, und für einen Arzt, der als Kopf der Bande verdächtigt wird, wird eine Freiheitsstrafe von 582 Jahren gefordet.
Der Vorfall scheint zunächst auf die Machenschaften einer aus Geldgier handelnden Betrügerbande zurückzuführen zu sein, doch durch öffentlichen Druck und mediale Berichterstattungen konnten die weitreichenden Dimensionen des Verbrechens aufgedeckt werden. Im Mittelpunkt steht die „Privatisierung des Gesundheitswesens“, die dazu führt, dass private Krankenhäuser ausgebeutet werden können. Die Bande schickte kranke Säuglinge nicht in öffentliche Krankenhäuser, in denen sie eine angemessene medizinische Versorgung erhalten würden, sondern in private Krankenhäuser, die mit den Notfallambulanzen kooperieren aber von ihren eigenen Leuten geleitet werden. Um von der Versicherung möglichst hohe Beträge zu kassieren, stellte die Bande den Zustand der Babys schlechter dar als erforderlich. In Anbetracht der Tatsache, dass eine der genannten Privatkliniken dem ehemaligen Gesundheitsminister gehörte, lässt sich besser verstehen, wie dieses schmutzige Geschäft Hand in Hand mit der Politik betrieben wurde. Und die wichtigste Voraussetzung für die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft: Die Mafia... Auch sie hat ihren Platz in diesem grausamen Bild. Ein regierungsnaher Mafiosi bedrohte den ermittelnden Staatsanwalt in seinem Büro und versuchte, die Ermittlungen zu verhindern, indem er behauptete, hinter der Organisation stünden „staatlich angestellte Nationalisten und Geheimdienstler“, die mächtig genug seien, den Papst zu ermorden (1981). Der Staatsanwalt dokumentierte diese Drohung in seinem Büro und leitete eine Untersuchung ein.
Bisher wurden 10 private Krankenhäuser geschlossen und 22 Personen in diesem schrecklichen Skandal verhaftet, der die Verrottung des Systems in der Türkei, einschließlich des Gesundheitssystems, offenbart. Tausende von Familien, die ihre Kinder auf der Intensivstation verloren oder ein Vermögen ausgegeben haben, um den Verlust ihrer Kinder zu verhindern, fordern nun Rechenschaft. Der größte Schaden, den dieser Skandal verursacht hat: Das fehlende Vertrauen in das Gesundheitssystem und den Staat.
|