Liebe Leserin, lieber Leser,
Präsident Erdoğan gehört zu den Politikern, die jeden Tag in der Öffentlichkeit, auf dem Bildschirm und in den Schlagzeilen präsent sind. Verschwindet er also für zwei Tage, beginnen Spekulationen über seinen Gesundheitszustand.
Beste Grüße
Ihr Can Dündar
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Letzte Woche berichtete die Presse, dass Erdoğan zum ersten Mal in den letzten 10 Jahren und zum zweiten Mal in einer Sommersaison in Urlaub gefahren ist. Manche interpretierten dies als Urlaub in der „angenehmsten Zeit seiner Amtszeit“, während in den sozialen Medien Gerüchte über seine gesundheitlichen Probleme als wahren Grund kursieren.
Wann immer solche Gerüchte auftauchen, reagiert Erdoğans Pressestelle mit einem Video, das ihn entweder beim Basketball oder beim Fußballspielen zeigt. Diesmal bemühten sich die Spekulanten, aus den Details der Videos die Wahrheit herauszufinden. Im Mittelpunkt standen diesmal Aufnahmen von Erdoğan am Flughafen vor seinem Besuch in Ungarn, die am Sonntag erneut auftauchten. Der Gang des Präsidenten zeigt jedenfalls, dass seine frühere Vitalität weit hinter ihm liegt.
Erdoğan wird im Februar 70 Jahre alt. Es ist allgemein bekannt, dass er sich zahlreichen Operationen unterzogen hat und unter strenger Kontrolle steht. Da es keine ernsthaften Stellungnahmen zu seinem Gesundheitszustand gegeben hat, lassen sich Gerüchte nicht verhindern. Einige von denen, die nach der letzten Wahl die Hoffnung auf einen politischen Wandel verloren hatten, glauben nun, dass es wohl eher nur einen biologischen Wandel geben kann. In den Medien wird bereits darüber spekuliert, wer die Nachfolge von Erdoğan antreten wird. Viele glauben, dass der geheimnisvolle Kandidat in Erdoğans Hinterkopf sein 43-jähriger Schwiegersohn Selçuk Bayraktar ist. Der Spiegel veröffentlichte dieses Jahr eine Analyse darüber, dass Bayraktar in die Fußstapfen von Erdoğan treten und an die Spitze der Politik aufsteigen könnte.
Zahlreiche Beobachter waren der Ansicht, dass Erdoğan, der seine engsten Konkurrenten innerhalb der Partei zugunsten einer Ein-Mann-Herrschaft aus dem Weg geräumt hatte, durch niemanden ersetzt werden könnte und seine Partei dann nur noch Geschichte wäre. Erdoğan hat jedoch insbesondere mit dem Kabinett, das er nach der letzten Wahl gebildet hat, gezeigt, dass er versucht, das Ein-Mann-Regime zu institutionalisieren. Die Mitglieder des Kabinetts, seine neuen Sekretäre, sind überwiegend Bürokraten, keine Politiker. Auf einen der wichtigsten Posten wie den des Außenministers setzte er Hakan Fidan, den langjährigen Geheimdienstchef. İbrahim Kalın, seinen Sprecher und außenpolitischen Berater ernannte er zum Leiter des Geheimdienstes. Das Wirtschaftsressort übertrug er einem Technokraten und das Innenressort einem Gouverneur. Diese Entscheidungen deuten darauf hin, dass Erdoğan den Fortbestand des Regimes nach ihm durch eine kremlähnliche Struktur plant. Wird er Erfolg haben? Die Antwort hängt davon ab, ob die Opposition in der Lage sein wird, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
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