In Istanbul ist vorgestern ein achtstöckiges Gebäude eingestürzt. Noch bevor man erahnen konnte, was passiert ist, wurde eine Nachrichtensperre erlassen. Egal wo es einen Grund geben könnte, die türkische Regierung zu kritisieren – sie hat sich angewöhnt, berechtigte Nachfragen mit Hilfe der Zensur abzuwürgen.
Gestern fand außerdem die Gerichtsverhandlung gegen den Lebensmitteltechniker Dr. Bülent Şık statt. Was seine „Schuld“ ist? Er habe sich „verbotene und geheime Dokumente verschafft“ und „ein Berufsgeheimnis verraten“. Diese Beschuldigung geht zurück auf einen Artikel, den er in der „Cumhuriyet“ veröffentlichte. In einer Studie hat Dr. Şık untersucht, in welchen türkischen Städte eine besonders hohe Dichte an krebserregenden, chemischen Schadstoffen zu finden ist. Bei der Studie kam heraus, dass acht Millionen Menschen in fünf Städten einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, an Krebs zu erkranken.
Statt Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung zu ergreifen, hat das Gesundheitsministerium Dr. Şık bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Letztere hat den Lebensmitteltechniker angeklagt und verlangt eine 12-jährige Haftstrafe, weil er „Panik innerhalb der Bevölkerung“ verursacht hätte. Dr. Bülent Şık sagte gestern nach der Verhandlung: „Eine solche Studie zur Volksgesundheit zu veröffentlichen, ist die grundlegende Verantwortung eines Wissenschaftlers.“
Die türkische Regierung versucht ständig, die Wahrheit unter den Teppich zu kehren – allerdings ist der Teppich langsam nicht mehr groß genug, die ganzen Wahrheiten zu abzudecken. Und aus diesem Grund kommen Tag für Tag neue Skandale heraus.
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