1) Die Mehrheitsmeinung steckt immer noch in einer Spirale kategorischer Feindschaft-Sympathie. Die Konfliktparteien sind definiert als „Israel“-„Palästina“ oder „Jude“-„Muslim“. Dabei gibt es Menschen, die den Likud auf israelischer Seite und die Hamas auf palästinensischer Seite ablehnen. Der Reflex alle Beteiligten über einen Kamm zu scheren, begünstigt extremistische Bestrebungen auf beiden Seiten.
2) Festgefahrene Denkmuster fördern Polarisierung: Die Angst, als antisemitisch zu gelten, ist selbst für diejenigen, die der Meinung sind, dass Israel in gewissen Punkten falsch handelt, ein Hemmnis. Auf der anderen Seite schweigen viele muslimische Menschen, die sich der Brutalität des Hamas-Angriffs bewusst sind, lieber, um nicht als „pro-israelisch“ zu gelten. ( Diese Spirale wurde erst von der israelischen Opposition und Presse durchbrochen, die ihre eigene Regierung auf das Schärfste kritisierte).
3) Am Beispiel der Ukraine und Palästinas zeigt sich die Doppelmoral, insbesondere in der westlichen Welt, besonders deutlich: Wir erleben, wie austauschbar Begriffe wie „Freiheitskämpfer, der sein Land verteidigt“, „tyrannischer Besatzer“, „Terrorist“, „Staatsterrorismus“ sind.
4) Keine gerechte Sache kann eine ungerechte Sache rechtfertigen. „Aber was sie uns angetan haben“, rechtfertigt keine Gräueltat. Wer seinen Feinden ähnelt, wird zum Feind. Außerdem kann das, was man für einen „großen Sieg“ hält, der erste Schritt zu einer schrecklichen Niederlage sein. Das gilt für Israels Bombardierung des Gazastreifens ebenso wie für den Überfall der Hamas auf Israel.
5) Laut Netanjahu ist die Bombardierung des Gazastreifens eine Antwort auf den Angriff der Hamas; die Hamas sieht in ihrem Überfall eine Antwort auf die israelische Besatzung. Tatsache ist, dass die Ursachen des Geschehens viel tiefer liegen. Auf dieser zerrütteten Konfliktlinie löst jeder Gewaltakt einen noch größeren Gewaltakt aus und verzögert eine dauerhafte Lösung. Bis Frieden erreicht ist, scheint eine derartige Eskalation unvermeidlich.
6) „Wenn du diejenigen bekämpfst, die bereit sind, dir die Hand zu reichen, wirst du gegen diejenigen kämpfen müssen, die bereit sind, dir die Hand zu brechen.“ Dieses Zitat trifft sowohl auf die Hamas als auch auf den Likud zu.
7) Einen Krieg zu führen ist, wie so oft, eine Frage des Augenblicks, Frieden zu schaffen dagegen eine sehr schwerer und mühsamer Prozess. Es scheint, dass die internationale Gemeinschaft nicht mehr in der Lage ist, Kriege zu verhindern, und die Diplomatie nicht mehr in der Lage ist, schnell einzugreifen.
8) Wir beobachten einen brutalen Krieg, in dem das Kriegsrecht, die Kriegsethik und selbst die grundlegendsten humanitären Regeln außer Acht gelassen werden und Zivilbevölkerung, Kinder als auch zivile Siedlungen zur Zielscheibe werden.
9) Und wieder einmal die „Wahrheit“ , eines der ersten Opfer des Krieges. Wir haben beobachtet, wie das Potenzial für Fake News proportional zum Erstarken der sozialen Medien wächst. Die gezielte Jagd auf die Medien ist ebenfalls zu einem der größten Herausforderungen im Kampf für seriöse Berichterstattung geworden.
10) Der Krieg kostete vielen Menschen ihr Gewissen: Jene, die um die von der Hamas ermordeten Jugendlichen weinten, ignorierten die durch israelische Bombardierungen getöteten Kinder. Man betet für die toten palästinänsichen Opfer und stellt sich taub gegenüber den Tränen der israelischen Eltern, deren Kinder getötet wurden.
Schmerz kennt keine Namen und keine Grenzen, unser Mitgefühl gilt beiden Seiten.
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