Scholz, der eine Außenpolitik betreibt, die auf Interessen und nicht auf Werten basiert, hat Grenzzäune, Flugzeuge und Waffen im Gepäck. Weder Erdoğans Unterstützung für die Hamas, noch Ankaras Missachtung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, auch nicht die steigende Zahl politischer Gefangener, oder die Zunahme der Femizide nach dem Ausstieg der Regierung aus der Istanbul-Konvention stehen auf der Tagesordnung. Die Priorität ist eindeutig: Geflüchtete daran zu hindern, über die Türkei nach Europa zu reisen, und diejenigen, deren Asylanträge in Deutschland abgelehnt werden, so schnell wie möglich in die Türkei zurückzuschicken. Die Einigung in dieser Angelegenheit ist beschlossene Sache; es geht anscheinend nur noch um die Details: Sollen die Rückkehrer per Charterflug zurückgeschickt werden, wie es Berlin fordert, oder in kleinen Gruppen per Linienflug, wie es Ankara anstrebt?
Der Spiegel berichtete vergangene Woche über den Vorteil, den sich die Türkei aus diesem Austausch verspricht: Der Bundessicherheitsrat hat in seiner jüngsten Sitzung grünes Licht für Rüstungsexporte in die Türkei im Wert von 336 Millionen Euro gegeben. Der Umfang der Waffenlieferungen an eine autokratische Regierung stellt einen radikalen Kurswechsel des von der Regierungskoalition unausgesprochenen Waffenembargos dar. Beide Regierungen sind offenbar mit dieser Zusammenarbeit zufrieden. Mit der deutschen Unterstützung kann Erdogan sein Verteidigungssystem stärken und den Rückhalt des Westens propagieren. Mit der Unterstützung der Türkei wird Scholz die irreguläre Migration eindämmen und sich einen wichtigen Trumpf gegen die AfD bei den Wahlen sichern. Was wird aus den politischen Gefangenen, die im Gefängnis vergessen werden, nur weil sie Freiheit und Demokratie fordern, aus den Frauen, die unter dem Deckmantel der „heiligen Familie“ ermordet werden, aus den kontrollierten Medien und aus dem Kampf für Demokratie, die den Sicherheitsinteressen geopfert werden.
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