Letzte Woche haben wir ein gewagtes Experiment durchgeführt: Mit unserer Dokumentation für den WDR erreichten wir über die Landesgrenzen hinweg unser Publikum: In der Dokumentation „Der Mafia-Boss, Präsident Erdogan und ich“, die im Rahmen einer WDR-Sendung in der ARD ausgestrahlt wurde, berichteten wir über die Enthüllungen einer weiteren verbannten Stimme, Sedat Peker, dem ehemaligen Komplizen des Palastes. Der Mafiaführer Peker wurde durch diplomatischen Druck zum Schweigen gebracht, nachdem er in neun Videos auf YouTube die schmutzigen Geheimnisse der Regierung enthüllte und angekündigt hatte: „Jetzt werden wir über Erdoğan reden“. Viele wichtige Geständnisse konnten bis heute nicht aufgeklärt werden.
In der heutigen Welt wachsen jedoch auch die Möglichkeiten, Verbote zu umgehen. Unser Dokumentarfilm, der in keinem türkischen Sender eine Chance gehabt hätte, ausgestrahlt zu werden, lief in der ARD. Im Übrigen entschied sich der Sender im Sinne der Pressefreiheit und aus Respekt vor den türkischstämmigen Gebührenzahlerinnen und -zahler auch für die Ausstrahlung des deutschen Dokumentarfilms in türkischer Sprache in der Mediathek. Trotzdem konnten die Beiträge in der Mediathek des Senders außerhalb des deutschsprachigen Raums nicht abgerufen werden. Auf die eindringlichen Bitten unserer Zuschauerschaft in der Türkei hin haben wir um die Aufhebung dieses Hindernisses gebeten; die ARD machte eine Ausnahme und entfernte die Sperre, so dass der Dokumentarfilm auch in der Türkei zu sehen war.
Dadurch erreichte der Dokumentarfilm innerhalb weniger Tage Zehntausende von Zuschauern; die Zahl der Zuschauer der türkischen Ausgabe übertraf die deutsche Fassung. Auch durch Raubkopien auf YouTube-Diensten erreichte der Dokumentarfilm ein sehr breites Publikum.
Dieses Erlebnis sollte man sich zunutze machen: Erdoğan muss erkennen, dass er die Wahrheit nicht ewig vertuschen kann, indem er Medien kauft und Medienschaffende unter Druck setzt.
Wir müssen die Möglichkeiten der Begegnung mit Zuschauerinnen und Zuschauern sowie Leserinnen und Lesern bis an die Grenzen ausreizen und kreative Lösungen finden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas sollten sich daran erinnern, wie wichtig internationale Solidarität bei der Verteidigung der Pressefreiheit ist -und dass sie viel dafür tun können.
Während wir unsere Ärmel für eine neue Dokumentation mit demselben Sender hochkrempeln, bin ich überzeugt, dass diese fruchtbare Zusammenarbeit einen großen Beitrag zur Aufklärung der Wahrheit und für den Kampf für freie Medien leisten wird.
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