Betrachtet man den Regimewechsel in Syrien aus dieser historischen Perspektive, überrascht er nicht. Wie einst die Statuen von Schah Pahlavi im Iran, Nadschibullah in Afghanistan, Gaddafi in Libyen oder Saddam im Irak gestürzt wurden, so werden nun auch die Assad-Statuen in Syrien zu Fall gebracht. Die Macht übernehmen „bewaffnete, turbantragende“ Dschihadisten.
Eine bekannte Szene wiederholt sich: Als Khomeini nach dem Sturz des Schahs die Macht übernahm, versprach er, dass Geistliche keine Regierungsrolle spielen würden. Als die Taliban an die Macht kamen, gaben sie gemäßigte Botschaften von sich. Und jetzt zeigt der Anführer von HTS – einer Organisation, die im Westen und in der Türkei als Terrorgruppe eingestuft wird – bei CNN sich von seiner „versöhnlichen“ Seite.
Für Kenner der jüngeren Geschichte des Nahen Ostens gibt es „nichts Neues an der Ostfront“. Natürlich spielen auch internationale Akteure eine Rolle. Länder wie die USA, Russland, Großbritannien oder Israel unterstützen mal die Autokraten, mal die Aufständischen – immer geleitet von eigenen Interessen, nie von einem Einsatz für Demokratie. Sie inszenieren dieses blutige Machtspiel und wechseln ihre Allianzen nach Bedarf.
Wer verstehen will, was in Damaskus bevorstehen könnte, sollte sich ansehen, was nach den Stürzen der Regime im Iran, Afghanistan, Libyen und Irak geschehen ist. Die Türkei war lange ein positiver Ausreißer in dieser schwierigen Region – eine säkulare Republik mit demokratischen Ansätzen. Doch in den letzten 20 Jahren hat die AKP-Regierung das Land Schritt für Schritt in den Sumpf des Nahen Ostens gezogen.
Syrien wird in den kommenden Wochen weiter Thema sein. Doch nach dem ersten Schock ist es hilfreich, sich diese allgemeine Perspektive ins Gedächtnis zu rufen.
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